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StattNatur statt StadtNatur?

Ein Beitrag von Simon Hinrichs mit Fotografien von Torsten Demuth

Am 30. November 2018 veranstaltete der Nabu Hamburg in Kooperation mit der HafenCity Universität eine gelungene Tagung zum Thema „Stadtnatur“. Eingeladen wurde in die Hamburger Filiale der GLS Bank, welche nachhaltige Projekte unterstützt.

Vom Neuntöter e. V. nahmen Torsten Demuth und Simon Hinrichs teil.

 

„Für Stadtnatur spielen Parks und Grünanlagen eine wichtige Rolle. Oft stehen diese Flächen jedoch unter hohem Nutzungsdruck. Wie dennoch Raum für Tiere und Pflanzen innerhalb der Stadt entstehen kann, soll auf der Tagung gezeigt und diskutiert werden.“

- Einladung der Veranstalter

 

Die Tagung bestand aus vielen spannenden und interessanten Vorträgen zu unterschiedlichen Themen rund um das Thema „Natur in der Stadt“. Referenten waren Beschäftigte aus unterschiedlichen Berufsfeldern wie der Stadt- und Landschaftsplanung, Behördenvertreter/innen, Naturschutzverbänden, sowie (ehrenamtlich) Aktive im Naturschutz, welche von ihren Projekten und Vorhaben berichteten.

Ein typisches Bild nicht nur in Hamburg: Kleinstes Grün wird restlos entfernt!
Ein typisches Bild nicht nur in Hamburg: Kleinstes Grün wird restlos entfernt!

Eines der (für mich) interessantesten Projekte stammt aus Berlin. Der Natur-Park Südgelände in Berlin ist ein sehr schönes Beispiel für eine begeh- und erlebbare „urbane Wildnis“ mitten in der Stadt. Dabei handelt es sich um einen 18 Hektar großen Park im Berliner Ortsteil Schöneberg, gelegen auf dem Gelände des ehemaligen Rangierbahnhofs Berlin-Tempelhof. Nach seiner Stilllegung im Jahr 1952 eroberte sich die Natur dieses Gebiet zurück und es siedelten sich zum Teil seltene und bedrohte Tier- und Pflanzenarten an. Von ganz allein entstanden dort wertvolle Lebensräume wie Trockenrasen, Hochstaudenflure und auch ein dichter Wald. Viele Leute setzen sich glücklicherweise für den Erhalt des Gebiets ein. Und heute sind Teile des Gebietes Landschafts- und Naturschutzgebiet. Mehrere Rundwege laden zum Erkunden dieses interessanten Geländes ein.

Dieses tolle Beispiel zeigt, es muss nicht immer ein akkurat gestutzter Rasen, neben einem Beet aus Stiefmütterchen und einer stramm stehenden Platane sein. Grünanlagen in denen alles vorgegeben ist, wie Plätze zum Sitzen, Geräte zum Spielen, gehakte Blumenbeete zum Gucken oder Rasenflächen zum Liegen, regen längst nicht so den Geist und die Kreativität an, wie wilde Ecken, Plätze oder Brachflächen. 

Solche „wilden“ Gebiete wirken oft sehr anziehend auf viele Menschen, egal ob jung oder alt. Denn dort kann man noch Etwas entdecken, neue Ecken auf schmalen Trampelpfaden erforschen und die Vielfalt des Lebens genießen, welche sich ganz von allein einstellt, wenn man sie lässt. 

Kinder können sich beispielsweise aus Totholz Höhlen bauen oder auf Bäume klettern, welche nicht mit langweiligen nackten Stämmen in Reih und Glied stehen, sondern, wie es die Natur vorgesehen hat, von „Kopf bis Fuß“ Äste bilden und zum Erklimmen einladen.

Unterschiedlichste Impressionen des Lebens in der Stadtnatur

Es wurden verschiedene Studien vorgestellt, wonach neben den physischen Leistungen der Pflanzen wie der Luftverbesserung, vor allem ihr psychologischer Wert enorm ist. Denn schon der Blick ins Grüne beruhigt die Menschen und entspannt sie nachweislich. 

Oftmals schrecken Verantwortliche in Städten und Gemeinden allerdings erstmal vor solcher „Wildnis“ zurück, weil sie Beschwerden fürchten, weil wachsendes Grün auf Spaziergänger „ungepflegt“ wirken könnte. Doch Umfragen in solchen Gebieten zeigen das genaue Gegenteil, quer durch alle Bevölkerungsschichten.  Die Leute sind meist viel weiter als Stadtplaner glauben; sie wollen Wildnis und unberührte Ecken, statt „totgepflegte“ und zu aufgeräumte Parks. Eine bunte Blumenwiese steigert für viele Leute den Erholungswert eines Parks. Wildnis verbinden viele Leute ebenso mit Romantik; knutschen wir lieber auf einem Golfrasen oder in einer bunten Blumenwiese!?

"Moderne" Parkanlage in der HafenCity. Wer soll hier, zwischen meist exotischen Gewächsen, Beton, Stahl und Glas seinen Lebensraum finden?
"Moderne" Parkanlage in der HafenCity. Wer soll hier, zwischen meist exotischen Gewächsen, Beton, Stahl und Glas seinen Lebensraum finden?

Wenn es um Beschwerden geht, dann verhält es sich wie überall. Die Leute die sich freuen und die Parks schön finden melden sich eher weniger bei den Ämtern um diese zu den „wilden“ artenreichen Grünanlagen zu beglückwünschen. Meist melden sich nur die negativ gestimmten Leute zu Wort, welche ihrem Ärger Luft machen wollen.

Für unser Klima sind „wilde“ Bereiche ebenso wichtig. Kniehohe Vegetation an Straßen fängt beispielsweise eine Menge Feinstaub auf, welcher sonst in unseren Wohnungen etc. landen würde. Das heißt in einer Großstadt sorgt weniger „englischer Rasen“ an den Straßen, sondern mehr Wildblumen für saubere Luft.

 

Mehr Mut zur Wildnis = Mehr Mut zur Vielfalt

 

Natur ist gewollt und kein Widerspruch in der Stadt. Stadtplaner brauchen keine Angst vor Wildnis zu haben, da die Mehrheit der Bevölkerung diese befürwortet.

 

Städte und Gemeinden müssen sich endlich mehr trauen, um das massive Artensterben unserer Zeit einzudämmen. Mehr heimische Pflanzen einsetzen, exotische „Pflanzsünden“ aus den letzten Jahrzehnten entfernen und durch standortgerechte heimische Arten ersetzen, vielfältige Lebensräume auch in die Parks integrieren und vor allem die Menschen darüber aufklären und zum Nachahmen in ihren Gärten oder auf ihren Balkonen animieren.

Wenn man sieht wie eintönig heutzutage Neubauviertel aussehen, voller ökologisch nahezu nutzloser Arten wie Kirschlorbeer, Thuja, Forsythie oder Rhododendren, daneben englischer Rasen oder eine karge „Mondlandschaft“ aus Kies, kann man nur darauf hoffen, dass es der ökologische Gedanke zeitnah in die Köpfe von mehr Stadtplanern, Gartenbaufirmen und Bauherren schafft. Denn was aktuell vielfach passiert ist alles andere als eine Förderung des Lebens und der Vielfalt.
Den aktuellen Bauboom könnte man so wunderbar nutzen, um gleich von Anfang an Grünflächen mit heimischen und standortgerechten Pflanzen zu bestücken.

 

Gehen wir mit gutem Beispiel voran, bringen Menschen die Vielfalt des Lebens näher und zeigen wie man diese fördern kann. 

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