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18. Tagung der DO-G Fachgruppe Gänseökologie

Ein Beitrag von Lea-Carina Mendel und Simon Hinrichs

Vom 22. bis 24. Februar 2019 fand die „18. Tagung der DO-G Fachgruppe Gänseökologie“ in Duisburg statt. Bereits an der letzten Tagung 2016 in Leer (Ostfriesland) haben wir teilgenommen. Die interessanten Vorträge und Gespräche sind gut in Erinnerung geblieben, so dass wir nun in diesem Jahr auch mit einem eigenen Vortrag zum Projekt Gans Hamburg an der Tagung mit dabei waren.  

Rothalsgänse zwischen Weißwangengänsen (Archivfoto: Torsten Demuth)
Rothalsgänse zwischen Weißwangengänsen (Archivfoto: Torsten Demuth)

Nach dem gemeinsamen Abendessen ging es am Freitagabend mit dem ersten Programmblock „Zug und Überwinterung“ los. Da einige Tagungsteilnehmer aus Schweden, Russland, Bulgarien und Dänemark kamen, wurde der überwiegende Teil der Vorträge in englischer Sprache gehalten. T. Heinicke stellte im ersten Vortrag die Erkenntnis über neue Rastgebiete der bedrohten Waldsaatgans (Anser f. fabalis) vor. Abgeschlossen wurde der erste Tagungstag mit einem Vortrag von D. Popov. Anhand der Besenderung von Rothalsgänsen (Branta ruficollis) in Bulgarien konnte festgestellt werden, dass die Rothalsgans eine Distanz von 1.822 km in 24 Stunden zurücklegen kann. Die Rothalsgans ist bei uns nur selten zu beobachten, vereinzelt taucht sie zusammen mit Ringel- (Branta bernicla) oder Weißwangengänsen (Branta leucopsis) in Westeuropa auf. 

Am Samstag begann die Tagung mit einer Begrüßung durch den Duisburger Bürgermeister Manfred Osenger. In seiner Ansprache hieß er die Tagungsgäste herzlich willkommen und betonte, wie beliebt die Region für geflügelte Wintergäste sei. Die Problematik mit heimischen Gänsepopulationen und einem „Gänsemanagement“ fand auch erste Erwähnung im zweiten Programmblock „Brutvögel in Deutschland“. Das Thema des Vortrages von M. Jöbges lautete „Zur Problematik der Vorkommen von Graugans, Kanadagans und Nilgans in Nordrhein-Westfalen“. Dabei wurde auch die Methode der Gelegekontrolle beschrieben, bei der jeweils zwei Eier pro Nest unbehandelt belassen wurden. Interessant ist, dass nach den Ergebnissen unseres jährlichen Bruterfolgsmonitorings im Alsterbereich in 2018 bei den Graugänsen 68 % aller Familien nur 0 bis 2 flügge Jungvögel führten. Im Schnitt waren es 2,0 flügge Jungvögel pro Paar, ohne dass hier Gelegekontrollen erfolgten.

Simon Hinrichs stellt Ergebnisse aus dem Projekt „Gans Hamburg“ vor (Foto: Jens Hartmann)
Simon Hinrichs stellt Ergebnisse aus dem Projekt „Gans Hamburg“ vor (Foto: Jens Hartmann)
Lea-Carina Mendel und Simon Hinrichs beantworten Fragen (Foto: Jens Hartmann)
Lea-Carina Mendel und Simon Hinrichs beantworten Fragen (Foto: Jens Hartmann)

Auch unser Vortrag war in diesem Programmblock untergebracht. Jedoch hatten wir statt der 20 Minuten Redezeit nur 15 Minuten zur Verfügung, sodass wir den Vortag am Ende etwas abkürzen mussten; über Hamburger Graugänse (Anser anser) gibt es halt sehr viel Spannendes zu berichten. Denn größere Grauganspopulationen in Städten sind eher ungewöhnlich und machen Hamburg zu etwas „Gans“ Besonderem. In anderen Städten leben meist nur Neozoen wie Nil- und Kanadagänse. Auch Bruten auf Bäumen oder Gebäuden kommen offenbar nirgendwo so zahlreich vor wie in Hamburg.

Exkursion ins Naturschutzgebiet Rheinaue Walsum (Foto: Jens Hartmann)
Exkursion ins Naturschutzgebiet Rheinaue Walsum (Foto: Jens Hartmann)

Am Nachmittag stand eine Exkursion in die Walsumer Rheinaue auf dem Programm. Eine erfreuliche Abwechslung nach vielen interessanten Vorträgen. So konnte das schöne frühlingshafte Wetter auch an der frischen Luft genossen werden. Am Rhein ließen sich dann einige Wintergäste wie Blässgänse (Anser albifrons) und Weißwangengänse beobachten – trotz zahlreicher Beine und Hälse konnten leider keine Ringe abgelesen werden; Vorführeffekt!? Das Highlight für die regionalen Beobachter war am Ende ein Weißstorchpaar, welches auf einem der bislang nie besetzten aufgestellten Nester saß und bei dem ein Vogel sogar beringt war! 

Rastende arktische Gänse am Rhein (Foto: Jens Hartmann)
Rastende arktische Gänse am Rhein (Foto: Jens Hartmann)
Das Naturschutzgebiet Rheinaue Walsum (Foto: Jens Hartmann)
Das Naturschutzgebiet Rheinaue Walsum (Foto: Jens Hartmann)
Rastende Blässgänse im NSG Rheinaue Walsum (Foto: Jens Hartmann)
Rastende Blässgänse im NSG Rheinaue Walsum (Foto: Jens Hartmann)

Die zweistündige Exkursion verging wie im Flug und nach einer Stärkung bei Kaffee und Kuchen ging es mit einer Plenarrunde zum Thema „Goose Management“ weiter. E. Meyers stellte die „Europäische Gänse-Management-Plattform“ (gegründet 2016) im Afrikanisch-Eurasischen Wasservogelabkommens (AEWA) vor und den aktuellen Stand zum geplanten Gänsemanagement für Graugans und Weißwangengans.
Diskutiert wird über ein landesübergreifendes europaweites Bestandsmanagement für Gänse. Bereits jetzt gibt es in den meisten Ländern weder ein Abschusslimit für Gänse, noch irgendwelche Abstimmungen zwischen den Ländern, was bei ziehenden geschützten Arten doch sehr fragwürdig ist. Aktuell agiert jedes Land und sogar jedes Bundesland für sich.

Für ein wirksames internationales Management müssten genaue Kontrollen der erlegten Gänse erfolgen (Arten, Zahlen, Alter) und zeitnahe Meldungen dieser Daten. Wenn heutzutage vielfach nicht mal einfache Dinge funktionieren, wie die Meldungen markierter geschossener Gänse, dann ist es sehr fraglich ob internationale Abstimmungen erfolgreich verlaufen werden.

 

Ob die Jagd überhaupt einen Einfluss auf den Gesamtbestand der Graugans oder anderer Arten hat, ist unter Experten sehr fraglich, da die Jagd außerhalb der Brutzeit stattfindet, also während die Gänse umherziehen und völlig unklar ist woher die erlegten Gänse stammen (außer sie sind markiert).

Die Hauptursachen für die Bestandszuwächse sind mal wieder „hausgemacht“, denn die Gänse profitieren von den ganzjährig grünen Feldern in der intensiven Landwirtschaft (Monokulturen), dem stark weiterhin zunehmenden Maisanbau und dem Klimawandel, der für mildere Winter in Europa und somit für höhere Überlebenschancen bei den Gänsen sorgt. Der Großteil unserer Tierarten „leidet“ unter dieser Form der Landwirtschaft und ihre Bestände brechen beispiellos zusammen!

Nächtlicher Blick aus der Jugendherberge "Duisburg Landschaftspark" (Foto: Lea-Carina Mendel)
Nächtlicher Blick aus der Jugendherberge "Duisburg Landschaftspark" (Foto: Lea-Carina Mendel)

Nur wenige Arten wie Gänse, Wildschweine oder Krähen profitieren von ihr.

 

Darauf folgte der Programmblock „Brut- und Zugverhalten arktischer und nordischer Gänse“ und der Tag wurde abgeschlossen mit dem Programmblock „Dateneingabe und Koordination“. M. Huizinga stellte die von ihm entwickelte App „BirdRing“ vor, die es ermöglicht, Meldungen von markierten Vögeln mobil zu erfassen und an die entsprechenden Beringungsprojekte zu senden. Ob bzw. inwiefern „unsere“ Hamburger Graugänse dort gemeldet werden können, muss noch geklärt werden.

Am Sonntag wurde der Programmblock „Brut- und Zugverhalten arktischer und nordischer Gänse“ fortgesetzt und die Vorträge endeten am Vormittag mit dem Programmblock „Verhaltensstudien“. Die zunehmende Zahl von überwinternden Weißwangengänsen wird oft als Problem für die heimischen Wiesenvögel diskutiert. S. Moonen konnte in seiner Studie, welche im Wildvogelreservat Nordkehdingen durchgeführt wurde, keinen negativen Einfluss der Weißwangengänse auf den Nestbau und den Schlupferfolg von Wiesenvögeln wie Kiebitz oder Uferschnepfe feststellen. 

 

Pünktlich um 10 Uhr machten wir uns dann mit der Straßenbahn auf den Weg zum Filmforum, um in einer Privatvorführung den preisgekrönten Kinofilm „Zugvögel“ von P. Höfer und F. Röckenhaus zu sehen. Auch wenn das Wetter viel zu schön war, um die Mittagszeit im Kino zu verbringen, hat der Film das Wunder des Vogelzugs von Gänsen, Störchen, Singvögeln uvm. mit atemberaubenden Aufnahmen gezeigt. Mit Ende des Kinofilms haben wir die Tagung verlassen, da wir feste Zugtickets gebucht hatten und uns leider keine Zeit mehr blieb, um an der Abschlussdiskussion teilzunehmen. 

Viel versiegelt, viele Steine und ein paar exotische Gräser (Foto: Lea-Carina Mendel)
Viel versiegelt, viele Steine und ein paar exotische Gräser (Foto: Lea-Carina Mendel)
Eine kleine Oase in der sonst versiegelten Duisburger Innenstadt: Ein männlicher Zitronenfalter „tankt“ an einer Krokusblüte  (Foto: Lea-Carina Mendel)
Eine kleine Oase in der sonst versiegelten Duisburger Innenstadt: Ein männlicher Zitronenfalter „tankt“ an einer Krokusblüte (Foto: Lea-Carina Mendel)
Der fast vollständig versiegelte Platz, welcher uns vor dem Duisburger Hauptbahnhof erwartete, lädt nicht gerade zum Verweilen ein (Foto: Lea-Carina Mendel)
Der fast vollständig versiegelte Platz, welcher uns vor dem Duisburger Hauptbahnhof erwartete, lädt nicht gerade zum Verweilen ein (Foto: Lea-Carina Mendel)

Auf dem Weg zum Duisburger Bahnhof konnten wir kurz den Innenhafen besichtigen, welcher architektonisch sehr an eine Miniaturversion der Hamburger Hafen City erinnert, mit fantasielosen „Klötzen“ und einer eher naturfeindlichen Gestaltung mit vielen Steinen und exotischen Pflanzen. Nur wenige Möwen und ein paar Blässhüher (Fulica atra) hielten sich dort auf. 

Mauereidechse in "Industrienatur" (Foto: Lea-Carina Mendel)
Mauereidechse in "Industrienatur" (Foto: Lea-Carina Mendel)

Das einzige Highlight an diesem Hafen war ein stillgelegtes Bahngleis am Rande des ehemaligen Holzhafens, welches teilweise von Brombeeren überwachsen war und von zahlreichen Eidechsen bewohnt wurde. Das Leben herrschte dort, wo der Mensch nicht (mehr) eingriff und die Natur sich selbst überlassen wurde. Wichtig wäre dieses Biotop am Bahngleis als „Industrienaturschutzgebiet“ durch Pflegemaßnahmen zu erhalten, denn solche Flächen finden oft kaum Beachtung, drohen meist zeitnah wieder zu verschwinden, bieten aber unzähligen seltenen und bedrohten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Insgesamt war die Innenstadt von Duisburg gespenstisch ruhig, wir hörten nur an einem einzigen Hinterhof Haussperlinge (Passer domesticus) – umgangssprachlich Spatzen – und selbst Kohl- (Parus major) und Blaumeisen (Cyanistes caeruleus) waren auffällig unauffällig. 

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Kommentare: 2
  • #1

    Gitta Hinrichs (Sonntag, 03 März 2019 15:01)

    Interessanter Bericht. Danke für den Einblick in die Tagung.

  • #2

    Britta Müller (Sonntag, 03 März 2019 21:29)

    Toller Bericht, vielen Dank dafür!