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Ein Leben in Rosa

Ein Beitrag von Ingo Kirchhoff

In Deutschland gibt es über 1.000 Arten (Tiere, Pflanzen und Pilze), die hier zu Lande eigentlich nicht heimisch sind und sich nur durch menschlichen Einfluss (z. B. Flucht aus Gefangenschaft) ansiedeln und etablieren konnten. Tiere, welche sich auf diese Weise bei uns neuen Lebensraum erschließen, nennt man Neozoen. Einige von ihnen, auffällig gefiederte Vögel, betrachten wir hier.

 

Was manchmal wie eine Laune der Natur aussieht kann auch schon mal die einheimische Tierwelt bedrohen und verdrängen. Als Beispiel seien Waschbär und Nutria genannt, welche sich sehr stark verbreiten. Exotisches ist somit oft nicht gut für die heimische Tierwelt, aber dennoch regelmäßig faszinierend. 

Unser diesjähriger Frühlingsurlaub führt uns ebenfalls zu einigen Neozoen. Vor einiger Zeit lasen wir von eine Flamingokolonie in Deutschland an der holländischen Grenze. Seit 35 Jahren kommen bereits Flamingos in das Zwillbrocker Venn um hier zu brüten. Während der Brutzeit können hier bis zu 50 Flamingos beobachtet werden.

 

Chileflamingos auf Nahrungssuche
Chileflamingos auf Nahrungssuche

Die ersten Flamingos die sich im Zwillbrooker Venn ansiedelten waren die Chileflamingos. Weiterhin nachgewiesen wurden Kuba- und Zwergflamingos. Als nicht Neozoen sind die Rosaflamingos anzusehen, da sie in Europa heimisch sind und sich der Flamingopopulation aus dem Zwillbrooker Venn von selbst angeschlossen haben.

Wir quartierten uns im Hotel Kloppendiek ein, welches in direkter Nähe zum Naturschutzgebiet Zwillbrocker Venn und der Biologischen Station Zwillbrock liegt. Man merkte, dass das Hotel noch mit Herz geführt wurde. Das Personal war sehr freundlich und das Essen vorzügliches, wobei man manchmal sogar wählen kann ob es normales Fleisch sein soll, oder aus artgerechter Haltung (dabei sollte so was eigentlich selbstverständlich sein). Zum Frühstück wurde man mit selbst gebackenem Brot überrascht. 

Unseren ersten Nachmittag, nach der Ankunft im Hotel, nutzen wir um uns erst mal in der Biologischen Station zu informieren. Hier gab es reichlich Wissenswertes zur Entstehung, Nutzung und Erhaltung des Naturschutzgebietes. Mit diesen Informationen ging dann ins Naturschutzgebiet begleitet von herrlichen Sonnenschein. Um uns zu orientieren gingen wir zur zentralen Beobachtungsplattform. Mehrere tausend Lachmöwen kreischten uns entgegen, da dies auch die größte innerdeutsche Lachmöwenkolonie ist. Es war ein herrliches Schauspiel. Dann sahen wir aber den eigentlichen Grund unseres Besuches: Flamingos. Zirka 30 Stück die ihre Köpfe ins kniehohe Wasser steckten um Nahrung zu suchen. Diese ersten kurzen Eindrücke nahmen wir erst mal mit, um danach eine Runde durch das Zwillbrocker Venn zu drehen und so den Tag abschlossen.

Flamingos auf ihrer Brutinsel
Flamingos auf ihrer Brutinsel

Der nächste Tag versprach wieder ein traumhaftes Wetter mit bis zu 26°C. Diesmal entsprechend ausgerüstet mit Spektiv ging es wieder zur Beobachtungsplattform. Mit entsprechender Optik konnten wir uns nun die Flamingos aus “nächster Nähe” anschauen. Wir fanden es einfach faszinierend. Auf der mittigen Insel konnten wir dann zwischen den Lachmöwen immer neue und andere Vögel beobachten. Da gab es unter anderem Graugänse, Nonnegänse, Löffelenten, Schwarzkopfmöwen, Knäkenten….usw!

Flamingos auf Nahrungssuche
Flamingos auf Nahrungssuche

Ein herrliches Schaupiel ist wenn die komplette Lachmöwenkolonie aufgeschreckt wird, durch was auch immer. Man sieht nur, dass ALLE Lachmöwen auffliegen, aber es ist mucksmäuschenstill. Erst wenn sie wieder ihre Partner suchen und wieder landen, endet es in einem grandiosen…. naja, wir haben es Tor-Jubel genannt.

Nachdem wir hier unsere ersten Eindrücke der Vogelwelt sammeln konnten ging es weiter. Dabei wurde akribisch gelauscht und geschaut wo ein Vögelchen piepst, singt und fliegt. So verbrachten wir einige Stunden mit gehen, lauschen gucken, bestimmen, genießen.

Neben dem Zwillbrocker Venn gibt es auch noch das Ellewicker Feld, ein weiteres Naturschutzgebiet mit ein hoher Vogelvielfalt. Unsere heutige Tour ging einmal rund ums Ellerwicker Feld und das Zwillbrocker Venn. Unser heutiges persönliches kleines  Birdrace (zählen möglichst vieler verschiedener Vogel-    


arten innerhalb 24h) endete am Schluß mit >50 Vogelarten. Wir waren mit unserem Ergebnis mehr als zufrieden, aber wer weiß wie viele es noch gewesen wären, könnten wir alles gesehene und gehörte sicher bestimmen.

Nach unserer Tour pausierten wir erst mal an unserem Hotel bei Eis und Kaffee. Das schöne Wetter und die Lust auf weitere Natur ließ und nochmal um das Venn gehen und auch jetzt waren wir wieder total in ihrem Bann. Wir blieben immer wieder stehen um zu lauschen und gucken, wodurch das Abendessen immer weiter nach hinten verschoben wurde.

Am dritten Tag besuchten wir ein weiteres Naturschutzgebiet welches durch die niederländische Grenze geteilt wird. Auf deutscher Seite ist das Burlo-Vardingholter Venn und Entenschlatt und auf niederländischer das Wooldse Veen. Was wir uns hier gewünscht hatten zu sehen ist ein Blaukehlchen. Leider konnten wir keins entdecken, dafür aber mehrere Schwarzkehlchen was für uns Entschädigung genug war. Zusätzlich war es auch eine herrliche Wanderung in der Natur. Am Abend verabschiedeten wir uns nochmal mit eine schönen Runde durch das Zwillbrocker Venn. Aber wir kommen wieder!

Auf der Rückfahrt nach Hamburg hatten wir uns noch eine Station ausgesucht und zwar Dülmen. Nahe Dülmen gibt es den Merfelder Bruch mit seinen Dülmenern Wildpferden. Diese gefährdete Nutztierrasse wir hier gezüchtet und kann sich ungestört vom Menschen entwickeln. Das Gebiet ist für Besucher nur am Wochenende zugänglich und somit für uns, an diesem Freitag, nicht zu betreten. Wir erhofften uns trotzdem mal ein Blick auf die Pferde zu werfen. Leider wurde dies eine Nullnummer, weil sie sich irgendwo ausser Sichtweite aufhielten. Es war schade, aber hat ja auch seinen berechtigten Grund. Aber so hat man auch nochmal wieder einen Grund in diese Gegend zu fahren.

Nach diesen paar sehr intensiven Tagen wo wir uns mit der Vogelwelt beschäftigten ging es wieder nach Hause. Wir werden bestimmt noch einige Zeit an diesen schönen Erlebnissen zehren und kommen mal wieder hier her.

Feldhase
Feldhase
Grünader-Weißling
Grünader-Weißling
Tagpfauenauge
Tagpfauenauge

Halte das Glück wie den Vogel: So leise und lose wie möglich! Dünkt er sich selber nur frei, bleibt er Dir gern in der Hand.

Christian Friedrich Hebbel

 

Hier unsere Liste gesehener/gehörter/bestimmter Vögel (Neozoen in blau):

Amsel

Austernfischer

Bachstelze

Baumpieper

Blaumeise

Blässhuhn

Buchfink

Chileflamingo

Dohle

Eichelhäher

Fitis

Gartengrasmücke

Gartenrotschwanz

Goldammer

Graugans

Graureiher

Großer Brachvogel

Höckerschwan

Jagdfasan

Kiebitz

Klappergrasmücke

Knäkente

Kohlmeise

Kormoran

Kranich

Krickente

Kuckuck

Lachmöwe

Löffelente

Mäusebussard

Mönchsgrasmücke

Nilgans

Pfeifente

Rabenkrähe

Rauchschwalbe

Reiherente

Ringeltaube

Rosaflamingo

Rotkehlchen

Schnatterente

Schwarzkehlchen

Schwarzkopfmöwe

Schwarzspecht

Silbermöwe

Silberreiher

Singdrossel

Spießente

Star

Stockente

Teichrohrsänger

Uferschnepfe

Weißwangengans

Zilpzalp

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Christine Kirchhoff (Mittwoch, 25 September 2019 16:51)

    Mein lieber Ingo,
    Ich bin begeistert von deinem sehr informativen, interessanten Bericht.
    Ein herrliches Fleckchen Erde. Die Natur ist so wunderbar.
    Deine Mama

  • #2

    Britta Müller (Samstag, 28 September 2019 14:27)

    Ein schöner Bericht, der Lust macht, dorthin zu fahren.
    Aber ohne ein gutes Spektiv ist man vermutlich aufgeschmissen.