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Nestbau bei Graugänsen: Wie geht das und wann ist ein guter Zeitpunkt?

Ein Beitrag von Simon Hinrichs

Anfang März, in milden Jahren bereits Ende Februar beginnen die ersten Graugänse mit dem Nestbau.

Durch unsere Beringungen können wir einige interessante Details aus dem Brutverhalten der Hamburger Graugänse feststellen.

Während die ersten Gänse seit rund einer Woche auf ihren Nestern sitzen, stärken sich andere Brutpaare aktuell beispielsweise noch an der Dove-Elbe in Allermöhe und sind somit noch bis zu 15 km von ihren Brutplätzen entfernt.

Vielfach sieht man aktuell Grauganspaare über der Stadt hin und her fliegen
Vielfach sieht man aktuell Grauganspaare über der Stadt hin und her fliegen

Dort wo sich jetzt Grauganspaare aufhalten, ist also nicht zwangsläufig auch bereits ihr Brutrevier. Manche Paare erscheinen erst Mitte oder Ende März in der „Heimat“, was auch immer von der Witterung abhängt. Jede Gans hat ihren individuellen Brutrhythmus, manche beginnen immer recht früh Anfang März, andere Gänse bevorzugen dagegen einen eher späteren Brutbeginn.

Die älteren Gänse brüten tendenziell früher im Jahr als ihre jüngeren Artgenossinnen. Die jüngeren Paare sind jetzt sehr mobil und suchen nach freien geeigneten Brutplätzen. Ständig sieht man jetzt Grauganspaare über der Stadt hin und her fliegen.

Doch nur einzelne Paare erkämpfen sich einen der wenigen sicheren Brutplätze. Jedes Jahr wird neu entschieden, wer stark genug ist und sich fortpflanzen darf. In jeder Population sind es immer nur wenige Paare welche für Nachwuchs sorgen und der Rest bildet eine Art „Reserve“ für die nächsten Jahre. 

 

Wann ist ein guter Zeitpunkt zum Brüten?

Für ein optimales Wachstum benötigt der Graugansnachwuchs die ersten aufwachsenden nährstoffreicheren Gräser und andere Pflanzen. Daher müssen die Gössel dann schlüpfen, wenn es wärmer wird und die ersten Pflanzen zu sprießen beginnen; Zeitmanagement ist alles!

 

Wenn die Gössel zu spät schlüpfen, beispielsweise im Mai, haben viele Pflanzen bereits viel weniger Nährstoffe. Zudem haben dann die früheren Familien bereits viele ufernahe Grünflächen beweidet und die im Mai erscheinenden Mauservögel erhöhen die Nahrungskonkurrenz enorm; von Mitte Mai bis Mitte Juni mausern ja die Graugänse und sind, wie der Nachwuchs, flugunfähig und auf ufernahe Grünflächen angewiesen.

 

Daher haben die spät geschlüpften Gössel meistens wesentlich schlechtere Überlebenschancen bzw. entwickeln sich oft schlechter als ihre früher geschlüpften Artgenossen.

 

Zu früh zu kalt?!

Die Temperaturen im Februar entscheidet meist über den Brutbeginn, je milder der Februar desto früher der Brutbeginn.

Wenn es dann im März aber nochmal Eis und Schnee gibt, kann dies für die brütenden Gänse dramatische Folgen haben. Denn wenn die Nahrung (Pflanzen) unter einer Schneedecke verborgen sind, können sie oft nicht mehr genug Energie „auftanken“, was zum Abbruch der Brut führen kann, oder die Gänse sind dann so erschöpft, dass sie dann verenden. 

 

Eingeschneite Graugans auf einer Dachterrasse in Winterhude (A. Ackermann)
Eingeschneite Graugans auf einer Dachterrasse in Winterhude (A. Ackermann)
Noch eine brütende eingeschneite Gans in Lokstedt im März 2022
Noch eine brütende eingeschneite Gans in Lokstedt im März 2022

Frisch geschlüpfte Graugansgössel im Schnee (Anonym)
Frisch geschlüpfte Graugansgössel im Schnee (Anonym)

Graugänse brüten meistens auf sicheren Inseln. Wenn dann aber die Gewässer nochmal zufrieren können plötzlich Fressfeinde wie Rotfüchse (Vulpes vulpes) oder Marderhunde (Nyctereutes procyonoides) die Nester erreichen, aber auch frei laufende Haustiere wie Hunde stellen immer wieder ernste Gefahr für brütende Gänse und andere Vögel dar.

Auch wenn die Gössel Ende März oder Anfang April schlüpfen, können die Familien immer noch von späten Wintereinbrüchen überrascht werden. Bei längeren Kältephasen erfriert oder verhungert der Nachwuchs schnell. 

Auch Feinde müssen ihren Nachwuchs versorgen

In den Parks sind tagsüber, neben Hunden, vor allem Rabenkrähen (Corvus corone) und Silbermöwen (Larus argentatus) die größte Gefahr für die Gössel. Auch noch größere Vogelarten wie Kolkraben (Corvus corax) und Mantelmöwen (Larus marinus) kommen mittlerweile in einigen Grünanlagen vor und können auch noch älteren Graugansnachwuchs erbeuten.

 

Diese Arten haben häufig ab Ende April / Anfang Mai selber Nachwuchs und benötigen dann noch mehr eiweißreiche Nahrung, regelmäßig auch in Form von Küken. Die spät geschlüpften Gössel haben dann also eine ideale Größe für die genannten Arten und werden wesentlich häufiger erbeutet, als ihre Artgenossen welche Anfang oder Mitte April geschlüpft sind und dann bereits größer und erfahrener sind.

 

Rabenkrähen und Silbermöwen warten auf einen unaufmerksamen Moment der Gänseeltern
Rabenkrähen und Silbermöwen warten auf einen unaufmerksamen Moment der Gänseeltern

 

Fleischfressende Säugetiere wie Füchse müssen wesentlich länger ihren Nachwuchs versorgen und erbeuten vor allem nachts regelmäßig Graugänse in allen Altersklassen.

Die werdenden Mütter müssen ihren Brutbeginn also genau abpassen; nicht zu früh und nicht zu spät. Jedes Jahr ist anders und jede Saison aufs Neue spannend!

 

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