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In Hamburg sagt man „Tschüß“ – heißt das auf Wiedersehen?

Ein Beitrag von Simon Hinrichs

Ab Mitte Juni verschwinden täglich immer mehr Graugänse aus den Parks, bis Anfang Juli der Großteil der Graugänse weg ist. Viele Leute wundern sich dann immer wieder über das plötzliche Verschwinden der Gänse aus den Parks und fragen bei mir nach. Teilweise befürchtet man Krankheiten, Vergiftungen oder auch illegale Jagden. 

Wir können beruhigen!

Ab Mitte Juni verlassen die meisten Graugänse traditionell Hamburg. Dann ist ihre Mauser beendet und die Gänse können wieder fliegen. Die Familien folgen ihnen, sobald der Nachwuchs flügge ist. Dies ist meist Ende Juni / Anfang Juli der Fall.

Zuvor wurden viele Familien von uns im Rahmen des Projektes "Gans Hamburg" im Auftrag der Vogelwarte Helgoland markiert (beringt). So können wir das Schicksal einzelner Gänse verfolgen.

 

Wohin fliegen die Gänse?

Welche Familie / welches Paar taucht wann und wo wieder auf? 

 

Man möchte ja wissen was aus den kleinen faustgroßen Küken wird, welche man später als „Teenager“ beringt hat und bis zum Flüggewerden verfolgt hat.

Rastplatz Habekost, zum öffnen in Google Maps bitte anklicken.            Quelle: Google Maps
Rastplatz Habekost, zum öffnen in Google Maps bitte anklicken. Quelle: Google Maps

Um diese Gänse wiederzufinden, unternehme ich regelmäßig Fahrten ins Hamburger Umland und suche an den verschiedenen Rastplätzen nach den Hamburger Graugänsen. 

Neben den bekannten Rastplätzen entdeckt man auch nach 13 Jahren Gänseforschung immer noch neue Ecken und „Verstecke“ der Hamburger „Langhälse“. Neu für mich entdeckt habe ich in diesem Jahr das Gebiet „Habekost“, ein größeres Gewässer bei Bleckede, am westlichen Rand der niedersächsischen Elbtalaue. Keine 100 Meter nördlich fließt die Elbe von Boizenburg kommend in Richtung Lauenburg, dieses Gebiet liegt genau 50 km von der Außenalster in Hamburg entfernt.

Bisher gab es noch nicht einen einzigen Nachweis einer Hamburger Graugans aus diesem Gebiet, obwohl dort regelmäßig mehrere hundert Graugänse gezählt werden. Es liegen einige Nachweise aus Gebieten vor, welche wesentlich weiter elbaufwärts liegen.

Warum sollten sie nicht auch mal hier vorbei kommen?! Das konnte ich nicht so stehen lassen und habe ich mir dieses Gebiet im August und September mal genauer angesehen. In diesem Sommer wurden dort mehrmals über 1.000 Graugänse gezählt. Da mussten doch auch Hamburger Ringträger dabei sein, dachte ich mir. Und ich sollte Recht behalten.

 

Blick vom Deich auf das Rastgebiet
Blick vom Deich auf das Rastgebiet

Das Ergebnis waren (neben beringten Möwen, Kormoranen und Reihern) insgesamt 56 (sichere) Ablesungen beringter Graugänse, sowie zusätzlich zwei in Schweden beringte Vögel mit Halsringen, davon einer mit Sender!

„Highlights“ unter den „Nichtgänsen“ waren ein junger Silberreiher aus Litauen und ein junger Kormoran von Rügen. Beide an ihren bunten Farbringen identifizierbar. 

Die 56 Ablesungen von Graugänsen ergaben 40 verschiedene Vögel (davon 39 in Hamburg beringt). Interessanterweise wurde selten eine Gans mehrfach im Gebiet gesehen, was für eine hohe Durchzugsrate spricht. Unter den 56 Ablesungen war neben der ersten jemals in Hamburg farbberingten Graugans (Jahrgang 1999) auch ein Vogel aus dem Vogelschutzgebiet „Rieselfelder Münster“. 

 

Insgesamt konnte ich dort sieben Hamburger Graugansfamilien aus fünf verschiedenen Teilpopulationen entdecken (Farmsen, Sasel, Lokstedt, Barmbek und Eppendorf). Erstaunlich ist auch, dass von den 40 dort gefundenen Graugänsen 10 kurz zuvor an der Unterelbe (Pinnaumündung, Luftlinie 85 km) nachgewiesen worden sind. 

Ebenfalls interessant ist, dass sich unter diesen 40 Graugänsen 6 Geschwister befanden; also jeweils 3 Geschwister aus zwei Familien. Von diesen beiden Familien gab es damals keine Nachweise aus dem Sommer und Herbst. Womöglich haben die Geschwister dieses Gebiet bereits damals durch ihre Eltern kennen gelernt und geben diese Tradition nun an ihren Nachwuchs weiter.

Der heiße und trockene Sommer brachte den Vorteil, dass der Wasserstand insgesamt sehr niedrig war. Dadurch konnte man die Beine der Gänse gut sehen und die Ringe erkennen.

Dieses Beispiels zeigt, wie flexibel Graugänse sein können.

 

Doch nur dort wo Ringe abgelesen und gemeldet werden, können letztendlich auch Nachweise entstehen.

 

Ich finde es bemerkenswert, dass trotz regelmäßiger Zählungen, dort bisher niemand beringte Gänse gesehen bzw. gemeldet hat. 

Es gibt sicherlich weitere bislang unentdeckte „Verstecke“ von Hamburger Graugänsen, denn viele Gänse sind immer noch monatelang verschollen, bis sie im Frühjahr wieder in der Stadt auftauchen. Ich bin auf die nächsten Jahre und weitere Ablesungen gespannt und freue mich über Hinweise und Meldungen.

 

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